Nur mal vorab: wenngleich viele Aspekte des nun vorliegenden Entwurfs des Kleinanlegerschutzgesetzes zu begrüßen sind, hier ist noch Einiges nicht zu Ende gedacht! Zu den wirklich problematischen Defiziten gehört neben dem Werbeverbot die nach dem Entwurf künftig erforderliche Rücksendung des unterschriebenen Vermögensanlagen-Informationsblatts. Die hier vorgesehene Regelung hat keinerlei positiven Auswirkungen auf den Anlegerschutz, dafür aber massiv-negative Implikationen für die Crowdfinancing-Industrie und damit – volks- und betriebswirtschaftlich viel schlimmer! – für die Frühphasenfinanzierung von Unternehmen.
Worum geht es? Der am 28. Juli 2014 veröffentlichte erste Referentenentwurf eines Kleinanlegerschutzgesetzes sieht eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des Vermögensanlagengesetzes vor. Danach wird künftig auch das im Crowdfinancing vorherrschende Finanzierungsinstrument, das partiarische (Nachrang-) Darlehen vom Vermögensanlagengesetz erfasst und damit weitgehend anderen mezzaninen Finanzierungsinstrumenten gleichgestellt. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, ist diese Gleichstellung sinnvoll und überfällig. Warum der Gesetzgeber im Vermögensanlagengesetz allerdings auf eine vollständige Gleichstellung mezzaniner Finanzierungsinstrumente verzichten will, ist unverständlich, aber nicht Gegenstand dieser Ausführungen.
§13 VermAnlG in seiner derzeit geltenden Fassung sieht vor, dass ein Anbieter von Vermögensanlagen vor dem Beginn des öffentlichen Angebot ein Vermögensanlagen-Informationsblatt („VIB“) zu erstellen und u.a. auf seiner Internetseite zu veröffentlichen hat. Hierbei handelt es sich um eine maximal drei DIN-A4-Seiten lange Zusammenfassung wesentlicher Eckpunkte der angebotenen Vermögensanlage. Die nunmehr erfolgende Gleichstellung führt dazu, dass bei allen Crowdfinancing-Transaktionen ein solches VIB zu erstellen ist.
Soweit, so gut. Zwar darf bezweifelt werden, dass ein VIB tatsächlich wesentliche Erkenntnisse bringt. Plattformen veröffentlichen die wichtigen Informationen ohnehin schon im Interesse des Verkaufserfolgs. Unabhängig hiervon kann die Industrie mit dieser Anforderung leben und hat sie bereits in die vom German Crowdfunding Network erarbeitete Selbstverpflichtung aufgenommen.
Problematisch, pardon: richtig problematisch und schlichtweg unsinnig ist aber der vom Referentenentwurf neu eingeführte Absatz 7 des § 13 VermAnlG. Danach muss der Anleger das VIB „unter Nennung von Ort und Datum durch seine Unterschrift mit Vor- und Familiennamen“ unterschreiben. (Nebenbei: reicht ein Vorname oder kommt ein Gericht vielleicht nach Jahren auf die Idee, ein Investor hätte mit allen Vornamen unterschreiben müssen und kann sich dann aus einer schiefgelaufenen Transaktion schleichen, weil er nicht auch mit seinem dritten Vornamen unterschrieben hat? Warum sollen gerade hier die normalen BGB-Maßstäbe für Unterschriften verschärft werden?) Anbieter und Anleger müssen dann jeweils eine Ausfertigung des unterschriebenen VIB erhalten, d.h. dass bei jeder Crowdinvesting-Transaktion das VIB ausgedruckt, unterschrieben und per Post an die Crowdinvesting-Plattform oder den Anbieter zurückgesandt werden muss. Eine elektronische Bestätigung des Erhalts und der Kenntnisnahme des VIB durch den Anleger ist nach dem Entwurf nicht zulässig.
Diese – zunächst einmal unscheinbar wirkende – Regelung stellt für die Crowdinvesting-Industrie in Deutschland eine massive Gefahr dar. Crowdinvesting zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass die Zeichnung des Anlegers – auch im Interesse der gebotenen Vermeidung übermäßiger Transaktionskosten ausschließlich über das Internet erfolgt. Die neue Regelung würde den Anleger zu einem Medienbruch zwingen, da er den Investitionsprozess nicht online abschließen kann. Medienbrüche bei Kommunikationsprozessen führen erfahrungsgemäß zu hohen Abbruchraten, die hier zu einem deutlichen Rückgang des Finanzierungsvolumens mit entsprechenden Auswirkungen auf die Finanzierungsmöglichkeiten von jungen Unternehmen führen wird.
Diese Belastung erkennen auch die Verfasser des Referentenentwurfs, wenn sie Investitionen bis zu 250 Euro von der Verpflichtung zur Unterzeichnung und Übermittlung eines VIB befreien wollen, „um zum einen potenzielle Erwerber von Kleinstbeteiligungen nicht durch den mit der Rücksendung verbundenen Aufwand abzuschrecken und zum anderen den Anbieter oder den von ihm beauftragten Dritten von einer stark erhöhten Korrespondenz zu entlasten.“ Dabei darf nicht verkannt werden, dass eine „stark erhöhte Korrespondenz“ nur ein kleiner Teil des erheblichen bürokratischen Mehraufwands ist, der durch die Rücksendungspflicht des VIBs verursacht würde. Hinzu kommt eine erhebliche Belastung des Investitionsprozesses, da die Transaktion in der Schwebe wäre, bis das VIB beim Anbieter oder der Plattform eintrifft.
Vor diesem Hintergrund hat sich auch die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, Medienbrüche bei eCommerce-Handlungen und Prozessen der eGovernance zu vermeiden. Mit Umsetzung des vorliegenden Entwurfs würde genau das Gegenteil erreicht.
Leider erkennen seine Verfasser auch nicht, dass diese Rücksendungspflicht keinerlei Verbesserung des Anlegerschutzes mit sich bringt. Die Intention, den Anleger vor Euphorie getriebener Übereilung zu schützen, ist vollständig verständlich, bedarf aber keinerlei weiterer Aktionen oder Gesetze: Anleger auf Crowdfinancing-Plattformen haben nach §§ 312g, 355 BGB bereits ein zweiwöchiges Widerrufsrecht. Damit geht ihr Schutz bereits sehr viel weiter als der Schutz von Anlegern, die über das Internet oder telefonisch börsennotierte Wertpapiere erwerben (§ 312g II Ziff. 8 BGB): diese haben keinerlei Widerrufsrecht. Auch ist hier – abgesehen von Neuemissionen, d.h. im Primärmarkt – von einem VIB keine Rede. Interessanterweise soll das VIB, das Anlegern im Zusammenhang mit Wertpapieren zur Verfügung gestellt werden muss, weiterhin nicht unterzeichnet und in Ausfertigung zurückgesandt werden müssen. Warum diese Ungleichbehandlung? Weil hier einmal ein Wertpapierprospekt erstellt wurde, den ohnehin kaum ein Privatanleger jemals gelesen hat? Was hat die Prospektpflicht bzw. deren Zielrichtung mit der Rücksendung des VIBs und der zugrunde liegenden Intentionen zu tun?
Auch ansonsten findet die Verpflichtung zur Unterschrift und Übersendung eines Dokuments keine Parallele im eCommerce, der inzwischen zum täglichen Leben gehört und Milliardenumsätze aufweist. Nutzer sind anerkanntermaßen durch Rücktrittsrechte ausreichend geschützt. Warum nicht hier? Diese Antwort bleibt auch der Referentenentwurf schuldig. Die Rücksendeverpflichtung wird in der Begründung einfach – mehr oder weniger als gegeben – dargestellt. Folge ist, dass diese auch von den Abgeordneten in ihrer Entscheidungsfindung nicht problematisiert und damit auch nicht in ihren katastrophalen Auswirkungen gewürdigt werden wird.
Vor diesem Hintergrund stehen bei Umsetzung des Entwurfs eine massive Schädigung der Crowdfinancing-Industrie sowie eine deutliche Einschränkung der Finanzierungsmöglichkeiten junger Unternehmen zu befürchten. All dies hilft keinem Anleger, führt aber zu einer deutlichen Einschränkung seiner Investitionsalternativen.
Dr. Kay-Michael Schanz, LightFin GmbH