Facebook hat im März 2014 das kalifornische Unternehmen Oculus VR für ca. 2 Mrd. USD gekauft. Oculus entwickelt 3D-Videobrillen, die es ihrem Träger erlauben, in virtuelle Welten einzutauchen. Die Transaktion hat nicht nur wegen der Höhe des Kaufpreises Schlagzeilen gemacht. Oculus wurde erst im Jahr 2012 gegründet und hat noch kein marktreifes Produkt. Die Brille „Oculus Rift“ wurde schon mehrmals in der Öffentlichkeit vorgestellt; ein konkretes Einführungsdatum gibt es noch nicht. Ab Juli sollen Prototypen an Softwareentwickler abgegeben werden.
Im Zentrum der Kritik stand aber nicht die Höhe des Kaufpreises als solche, nicht einmal von Seiten der Aktionäre von Facebook – diese waren nach dem Kauf des Nachrichtendienstes WhatsApp für ca. 19 Mrd. USD schon Akquisitionen in dieser Größenordnung gewohnt. Kritisch wurde vielmehr gesehen, dass Geldgeber aus einer früheren Crowdfunding Kampagne keinen Anteil am Verkaufserlös und einer zwischenzeitlichen Explosion des Unternehmenswertes bekamen und insoweit also leer ausgingen. Viele fühlen sich nun „verraten und verkauft“ – der Gründer berichtet von Morddrohungen. Die Geldgeber, so die öffentliche Wahrnehmung, hätten geholfen, „eine riskante Idee Realität werden zu lassen, aber nun stehen sie nicht nur ohne Erfolgsbeteiligung da, sondern müssen sich ausgerechnet mit Facebook als neuem Besitzer abfinden.“
Hier stellt sich also die Frage, ob und wieweit Geldgeber, die im Rahmen einer Crowdfunding-Kampagne ein junges Unternehmen mit regelmäßig relativ kleinen Einzelbeträgen unterstützt haben, getäuscht, über den Tisch gezogen oder in irgendeiner anderen Weise unredlich behandelt wurden. Diese Frage ist in Anbetracht der massiv zunehmenden Bedeutung von Crowdfunding und Crowdfinancing von zentraler Bedeutung.
Die Frage ist ebenso einfach wie klar zu beantworten: die Geldgeber von Oculus VR sind fair behandelt worden und haben oder werden nach heutigem Kenntnisstand genau das bekommen, was vereinbart wurde. Ob man ihnen von Seiten der Altgesellschafter aus Fairnessgründen vielleicht eine freiwillige Beteiligung am Erfolg hätte zukommen lassen können, ist eine ganz andere Frage …
Was war passiert? Palmer Luckey sammelte im Sommer 2012 über eine Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter bei nahezu 9.600 Geldgebern über 2,4 Millionen Dollar ein. Diese haben im Rahmen der Kampagne vorab Geld überwiesen, um möglichst früh an das erste Produkt zu kommen. Hierfür sollten sie T-Shirts und Virtual-Reality-Brillen erhalten. Die ursprünglich geplante Viertelmillion Dollar, die Oculus VR erzielen wollte, war durch die begeisterten Fans in nur vier Stunden zusammen gekommen – ein sensationeller Erfolg.
2013 wurden im Rahmen einer nächsten Finanzierungsrunde 16 Mio. USD aufgebracht, diesmal auf „herkömmlichem“ Weg, d.h. gegen Ausgabe von Gesellschaftanteilen, nicht aber über eine Crowdfunding-Kampagne. Im gleichen Jahr investierte ein VC-Fonds weitere 75 Mio. USD. Im März 2014 schließlich kam es zum Verkauf an Facebook auf Basis eines sehr viel höheren Unternehmenswertes.
Von der zwischenzeitlichen Wertsteigerung haben die Investoren der beiden Finanzierungsrunden in 2013 massiv profitiert und ihren Kapitaleinsatz vervielfacht, nicht aber die Teilnehmer der Crowdfunding-Kampagne. Dies ist bedauerlich, zumal diese sehr viel früher dem Unternehmen Geld gegeben haben und damit – eigentlich – ein höheres Risiko eingegangen sind. Andererseits ist es richtig: Sie haben nämlich im Gegensatz zu den Investoren der beiden Finanzierungsrunden in 2013 keine Anteile am Eigenkapital mit entsprechenden Risiken gezeichnet, sondern haben sich auf eine Art „Vorverkauf“ eingelassen. Dabei sollen die – gerade in diesem Unternehmensstadium – hiermit verbundenen Risiken keineswegs beschönigt werden. Diese können in Bezug auf den gegebenen Geldbetrag genauso groß sein wie die Risiken eines Eigenkapitalinvestors, der von einem deutlich größeren Chancenpotential profitiert.
Ungeachtet dessen soll hier keinesfalls behauptet werden, dass Crowdfunding-Kampagnen für Geldgeber regelmäßig schlechter sind als Crowdfinancing-Aktionen, in denen der Investor eine Beteiligung am Unternehmen bzw. je nach Ausgestaltung eine Beteiligung am Gewinn und/oder der Entwicklung des Unternehmenswertes bekommt. Im Ergebnis geht es hier wie bei allen Finanztransaktionen: diese müssen so strukturiert werden, dass sie die Bedürfnisse des Kapitalnehmers decken und für den Kapitalgeber attraktiv sind. Die demnach auch hier erforderliche Fairness der jeweiligen Gegenleistung verlangt im Falle des sogenannten Equity based-Crowdfinancings auch nach einer angemessenen Bewertung des Kapital aufnehmenden Unternehmens im Investitionszeitpunkt. Die faire Unternehmensbewertung ist Grundvoraussetzung für den Erfolg der Investoren im Einzelfall, aber auch dafür, dass das betriebs- wie volkswirtschaftlich überaus begrüßenswerte Konzept der Crowd-Finanzierung in breiteren Bevölkerungskreisen Vertrauen entwickelt. Zugegebenermaßen besteht hier – auch im Interesse der Crowdfinancing-Industrie selbst – wohl noch Verbesserungsbedarf.
Hierauf wird in Kürze an dieser Stelle zurückzukommen sein.
Dr. Kay-Michael Schanz, Schanz & Coll. Rechtsanwälte