Prokon, Windwärts, kommen da noch mehr Einschläge? Haben diese Dinge etwas mit der Crowdfinanzierung zu tun? Muss man sich vor Genussrechten hüten? Verbrennt die ökologisch orientierte Energiewirtschaft das Geld von Anlegern?
Die Emotionen sind gut verständlich, denn mit guten Absichten und hohen Erwartungen investierte Ersparnisse stehen im Feuer. Es geht auch um die Arbeitsplätze von Mitarbeitern, die sich über Jahre loyal und mit Idealismus für ihre Unternehmen eingesetzt haben.
Jenseits der berechtigten Gefühle gilt jetzt, den Blick auf Tatsachen zu richten:
Der Missbrauch des Vertrauens von Anlegern war und ist eine statistische Größe. Sie schwankt, aber mit keiner Impfung dieser Welt geht sie weg. Stichworte wie S&K, Flowtex oder Phoenix mögen in der Erinnerung bei den nicht Betroffenen verblassen. Groß ist aber die Zahl der Geschädigten, die dies nie vergessen können.
Die Erfahrung zeigt, dass jede Branche (von Immobilien bis zur Energie) und jede Form der Anlage (von der Aktie bis zum Fonds und sogar zur Staatsanleihe) betroffen sein kann. Der Anleger ist in der Regel bereit, in unterschiedlichem Maß ein unternehmerisches Risiko mitzutragen, nicht aber das Risiko, Opfer einer Täuschung zu werden. Die Täuschung ist ein trauriger Klassiker, den es immer gab (sehr zum Lesen empfohlen sei dieser sehr realistische Roman aus dem 19. Jahrhundert: „Das Geld“ von Émile Zola und den es wohl immer geben wird. Von keinem Sektor und keiner Gestaltungsform wird man behaupten können, dass es dort so etwas nicht geben kann.
Die Fälle Prokon und Windwärts haben miteinander gemein, dass in beiden Fällen Genussrechte begeben wurden. Die Untersuchungen werden noch lange dauern, aber schon mit dem heutigen Wissensstand können wir sagen, dass hier schon die Gemeinsamkeiten aufhören. Es wäre eine Verzerrung von Tatsachen, und es wäre grob unfair, beide Fälle über einen Kamm zu scheren. Die Ursachenketten und wohl auch die Folgen sind sehr unterschiedlich.
Kommen wir jetzt zu der im Titel gestellten Frage:
Crowdinvesting versteht sich als eine junge und nach Integrität strebende Investitionskultur. Darin liegt der besondere Charme. Die Besonderheit besteht darin, dass die sich herausgebildende Form der Darstellung von Investitionsmöglichkeiten über das Internet auf Transparenz ausgerichtet ist. Der Anleger kann sich in aller Ruhe und Ausführlichkeit Informationen beschaffen, kann Fragen stellen, sieht die Fragen und Antworten anderer Anleger. Er kann auch über das Internet oder unabhängige Experten Meinungen einholen und dann souverän entscheiden. So geht man mit Anlegern um, die man achtet. Die Wahrscheinlichkeit von Täuschungen geht damit herunter, aber ausgeschlossen sind sie nicht. Investitionen in nicht tragfähige Geschäftsmodelle oder Techniken, die sich am Markt nicht durchsetzen, sind auch nicht ausgeschlossen, aber das gehört in den Verantwortungsbereich des Anlegers, der sich bewusst auf ein unternehmerisches Risiko einlässt. Crowdinvesting schafft keine ideale Welt für den Investor, aber eine sich verbessernde.
Dr. Martin Bartels, LightFin GmbH