Die derzeit laufende Evaluierung des Kleinanlegerschutzgesetzes könnte eine Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten für junge Unternehmen mit sich bringen, sofern der Gesetzgeber nicht wieder fadenscheinige Argumente des Anlegerschutzes vorschiebt.
Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz wurden im Juli 2015 maßgebliche Rechtsgrundlagen für Crowdfinanzierungen neu geregelt. Die laufende Evaluierung des Gesetzes durch Executive und Legislative bietet die Chance, einer deutlichen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Finanzierung von Startups. Dabei sollte insbesondere folgende Aspekte in Angriff genommen werden:
1. Gleichbehandlung aller Vermögensanlagen und Wertpapiere
Die Beschränkung der Privilegien des Vermögensanlagengesetzes für Schwarmfinanzierungen auf partiarische Darlehen, Nachrangdarlehen und „sonstige Anlagen“ wurde an dieser Stelle schon vor Erlass des Kleinanlegerschutzgesetzes kritisiert. (Partiarische) Nachrangdarlehen sind komplex und liegen regelmäßig nicht im Interesse des Anlegers. Sie dienen gerade nicht dem Verbraucherschutz. Vor diesem Hintergrund sind die Erwägungen der Bundesregierung in ihrem Bericht über die Evaluierung des Kleinanlegerschutzgesetzes, den Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift nach § 2a VermAnlG auf sämtliche Vermögensanlagen des VermAnlG auszuweiten, ausdrücklich zu begrüßen.
Geleichermaßen zu befürworten sind Überlegungen, über Crowdinvesting-Plattformen ein prospekt-befreites Angebot von Wertpapieren zuzulassen und insoweit die Ergebnisse der EU-Kapitalmarktunion vorwegzunehmen. Emittenten wären hierzu in der Lage, am Kapitalmarkt etablierte und leicht verständliche Instrumente wie Aktien oder (Wandel-) Anleihen zu begeben. Fremdkapital könnte dabei auch mit Sicherheiten zugunsten der Geldgeber ausgestattet werden, was bei qualifiziert nachrangigen Darlehen aufsichtsrechtlich nicht möglich ist.
2. Immobilienprojekte
Der Vorschlag, Immobilienprojekte anders zu behandeln als Unternehmens-finanzierungen und aus der Befreiungsvorschrift für Schwarmfinanzierungen herauszunehmen, ist nicht sinnvoll. Die dabei angestellte Überlegung, Crowdinvesting könne zu einer Überhitzung des Immobilienmarktes beitragen, ist objektiv nicht nachvollziehbar, zumindest aber sachfremd. Auch wenn Immobilienfinanzierungen Risiken beinhalten – ggfs. auch deutliche – (nach Kenntnis des Verfassers ist in Deutschland bislang noch kein Immobilien-Crowdfinanzierungsprojekt gescheitert), so spricht kein Grund dafür, diese strenger zu regulieren – schon gar nicht der Anlegerschutz, um den es alleine hier gehen kann.
3. Schwellenwerte für Gesamt-Emissionsvolumen und Einzel-Investments
Hinsichtlich der Schwellenwerte sind zwei Änderungen wünschenswert: Zum einen sollte die Transaktionsgrenze für prospektfreie Crowdfinanzierungen von Euro 2,5 Mio. auf 5 Mio. Euro erhöht werden, da Emittenten die Kosten einer Emission mit Prospekt nur auf sich nehmen, wenn das Emissionsvolumen mindestens im mittleren bis oberen siebenstelligen Bereich liegt. Darunter stehen die Kosten der Prospek-terstellung in keinem angemessenen Verhältnis zum Transaktionsvolumen.
Zum anderen sollten die Schwellenwerte für Einzel-Investments natürlicher Personen flexibler gehandhabt werden, d.h. die fixen Obergrenzen von 1.000 Euro bzw. – unter weiteren Voraussetzungen – von 10.000 Euro sollten durch flexible einkommens- und vermögensabhängige Obergrenzen ersetzt werden. Feste Grenzen führen dazu, dass größere Co-Investments (z.B. von Business Angels, Family Offices oder vermögenden Privatpersonen) nicht über die Plattform zu den Konditionen möglich sind, zu denen auch Kleinanleger investieren. Wären solche Co-Investments möglich, würde dies die gleichzeitig investierenden Kleinanleger vor Unterkapitalisierung der Projekte und Benachteiligung bei den Investment-Konditionen schützen und zu einer Gleichbehandlung der Anleger beitragen.
4. Gleichbehandlung von GmbH & Co.KGs
Die derzeitige Befreiung von den Schwellenwerten gilt nur für Kapitalgesellschaften, nicht aber für GmbH & Co. KGs. Diese Rechtsform wird gerne von professionellen Investoren als Investitionsgesellschaft genutzt. Unternehmen dieser Rechtsform bedürfen keines besonderen Schutzes und sollten ebenfalls mehr als 10.000 Euro in Crowdfinancing-Projekte investieren dürfen.
5. Widerrufsrecht
Das Widerrufsrecht gemäß § 2d VermAnlG steht neben dem allgemeinen Widerrufsrecht von Verbrauchern und sollte gestrichen werden. Hier ist derzeit eine zweifache Aufklärung des Investors erforderlich, was völlig überflüssig ist. Die Vorschrift hat nur insoweit einen eigenen Regelungsbereich, als hierdurch auch Nicht-Verbrauchern ein Widerrufsrecht eingeräumt wird. Insoweit ist aber kein Schutzbedürfnis erkennbar.
6. Werbung
Hinsichtlich der Vorgaben für Werbung im VermAnlG besteht auf seiten der Marktteilnehmer ein hohes Maß an Verunsicherung, da sich diese technisch zum Teil – z.B. in Google Ad-Words nicht umsetzen lassen.
Im Ergebnis bietet die laufende Evaluierung des Kleinanlegerschutzgesetzes die Möglichkeit, einen interessanten Weg für die Finanzierung junger Unternehmen für diese wie für Anleger attraktiver zu machen, ohne hierdurch den Anlegerschutz zu gefährden. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber diese nutzt und nicht fadenscheinige Argumente des Anlegerschutzes vorschiebt.
Dr. Kay-Michael Schanz, LightFin