Vor dem Hintergrund der laufenden Diskussionen um eine gesetzliche Regulierung der Crowdfinancing-/Crowdfunding-Industrie veröffentlicht Lars Hornuf unter dem vielsagenden Titel „Warum Deutschland (k)ein Crowdinvesting-Gesetz braucht“ einen spannenden Gastbeitrag im Blog der IHK München.
Dabei beschäftigt er sich zunächst einmal – und dies ist der einzig richtige Ansatz – mit den Zielen des Kapitalmarktrechtes, d.h. dem Schutz der Integrität des Marktes. Der Sicherstellung der Chancengleichheit aller Marktteilnehmer kommt in Anbetracht der Informationsungleichgewichte und des latenten Betrugsrisikos eine besondere Bedeutung zu. Enttäuschungen einzelner Marktteilnehmer führen nicht nur dazu, dass diese in Zukunft die Märkte meiden, sondern dass das allgemeine Vertrauen zerstört wird und der Markt letztendlich für alle Teilnehmer zusammenbricht. Folge ist, dass auch seriöse und aussichtsreiche Unternehmen keine Finanzierung mehr erhalten. Der Anlegerschutz darf deshalb – auch und gerade im Interesse der anderen Marktteilnehmer – keinesfalls zu kurz kommen. In diesem Zusammenhang darf man aber auch nicht aus dem Auge verlieren, dass der Anleger – wie auch die Präsidentin der BaFin vor kurzem mit anderen Worten hervorgehoben hat – kein unmündiger Depp ist.
Bei der Frage, inwieweit die Schaffung eines spezifisches Crowdinvesting-Gesetz sinnvoll ist und das vorgenannte Kernziel des Kapitalmarktrechts besser verwirklicht, als es die bereits existierenden Rechtsnormen tun, weist Hornuf völlig zu Recht darauf hin, dass Crowdinvesting auch derzeit nicht im rechtsleeren Raum stattfindet. Hier wird die Argumentation gelegentlich etwas unpräzise (partiarische Darlehen sind – im Gegensatz zu klaren Ausnahmeregelungen im VermAnlG bzw. WpPG – nicht von der Prospektpflicht entbunden, sondern fallen in eine Gesetzeslücke). Dies liegt auch daran, dass er sich nicht mit den Unterschieden zwischen den einzelnen mezzaninen Finanzierungsinstrumenten beschäftigt.
Eine insgesamt sinnvolle Regelung kann nur finden, wer versteht, dass einzelne dieser Instrumente in ihrem wirtschaftlichen Gehalt, d.h.. insbesondere auch Chancen-/Risikoprofil, so strukturiert werden können wie ein Instrument mit anderem Namen. Dies gilt auch für die prospektfreien partiarischen Darlehen, d.h., diese können weitestgehend wie ein Genussrecht oder eine Stille Beteiligung strukturiert werden – beides wäre bei Fehlen einer Ausnahmeregelung allerdings prospektpflichtig. Dies ist zum einen – auch aus Gründen des Anlegerschutzes – wenig sinnvoll. Zum anderen führen – wie an anderer Stelle bereits ausgeführt – die Anforderungen der BaFin an den sogenannten qualifizierten Rangrücktritt in der Praxis darüber hinaus dazu, dass der Nachrang gegen die Interessen des Anlegers noch schärfer ausfällt als es oftmals den Bedürfnissen des Kapital suchenden Unternehmens entspricht.
Für die künftige Regelung fordert Hornuf – ohne das betreffende Instrument einzugrenzen – eine Erhöhung des „Grenzwerts für die Ausnahmeregel von der Prospektpflicht von 100.000 Euro auf etwa 500.000 Euro“ anzuheben und meint (wohl in Bezug auf die nach derzeitiger Konstellation allein betroffenen (partiarischen) Nachrangdarlehen), es sollte keine unbegrenzte Ausnahme von der Prospektpflicht geben. Gleichzeitig müsste nach seiner Auffassung „ein Mindestmaß an Transparenz sichergestellt werden, beispielsweise indem jedes Start-up-Unternehmen ein standardisiertes und stark verkürztes Wertpapierprospekt „light“ veröffentlichen muss, dessen Inhalte die Investoren über unterschiedliche Portale hinweg vergleichen können.“ Die Forderung nach Transparenz ist berechtigt. Es stellt sich aber die Frage, ob hier tatsächlich ein „Wertpapierprospekt „light““ erforderlich ist: Investoren werden nur investieren, wenn sie ein aussagekräftiges Informationsmemorandum vorgelegt bekommen, das den erforderlichen Anlegerschutz im Rahmen der allgemeinen Prospektpflicht entfaltet. Verletzungen können hier schon heute zivilrechtlich geltend gemacht werden. Neben diesem erscheint die Vorlage des üblichen Vermögensanlageninformationsblatts völlig ausreichend. Die von Hornuf geforderte Vergleichbarkeit über unterschiedliche Portale hinweg wirft ebenso Fragen auf, wie die anschließende Forderung „Langfristig sollten die beim Crowdinvesting angebotenen Wertpapiere“ (?) „handelbar gemacht werden, wie dies bereits bei der aktienbasierten Finanzierung über das Portal Bergfürst möglich ist.“
Abschließend kommt Hornuf in Beantwortung der Frage „Braucht Deutschland ein Crowdinvesting-Gesetz?“ zu einem interessanten Fazit:
„Könnte man ein Gesetz aus dem Lehrbuch implementieren, fände man sicherlich ein besseres Gesetz und die Antwort hieße ja. Liest man das 500-seitige Regelwerk, das die US-amerikanische Aufsichtsbehörde SEC vorgelegt hat, oder die teilweise skurrilen Anforderungen des italienischen Crowdinvesting-Gesetzes Decreto Crescita 2.0, sollte man es vielleicht doch bei den existierenden Rechtsnormen belassen oder nur minimale Änderungen vornehmen.„
Recht hat er!
Was also ist zu tun? Zunächst einmal muss der Gesetzgeber sich darüber klar werden, ob er der Crowdfinancing-Industrie den Boden entziehen möchte oder ob er diese Bewegung mit dem Verfasser als überaus sinnvoll ansieht,
- sinnvoll und betriebs- wie volkswirtschaftlich notwendig, weil sie jungen und mittelständischen Unternehmen Zugang zu Kapital eröffnet,
- sinnvoll und notwendig, weil sie Anlegern eine Erweiterung der Investitionsalternativen bietet, was besonders in einem Niedrigzinsumfeld wie dem derzeitigen von Bedeutung ist.
Wird diese Meinung geteilt, gilt folgendes:
- Wir brauchen kein eigenes Crowdfinancing-Gesetz. Änderungen bzw. Ergänzungen bestehender Gesetze wie VermAnlG, WpPG, WpHG, GewO oder KWG genügen vollständig und sorgen für eine einheitliche, transparente Lösung. Ob diese Regelwerke bei Erfüllung gewisser Voraussetzungen gewisse Erleichterungen schaffen, ist eine ganz andere Frage …
- (Partiarische) Nachrangdarlehen werden anderen mezzaninen Finanzinstrumenten gleichgestellt. Diese Gleichstellung hat neben der grundsätzlichen (!) Prospektpflicht weitere Implikationen für den Anlegerschutz, z.B. das Erfordernis eines Vermögensanlageninformationsblatts.
- Ein sinnvoller – zugegebenermaßen aber relativ weitgehender – Schritt wäre die Gleichbehandlung aller Finanzierungsinstrumente einschließlich Wertpapieren und Einlagen für die Finanzierung des eigenen operativen Geschäfts (die Vermeidung eines unerwünschten Einlagen-Bankgeschäfts außerhalb des KWG´s kann sicher gestellt werden): Warum sollten Unternehmen aus regulatorischen Gründen in der Wahl ihrer Finanzierungsinstrumente begrenzt sein?
- Die Freigrenzen für Prospekte in VermAnlG und WpPG werden erhöht. Dabei erscheint der von Hornuf vorgeschlagene Betrag von TEUR 500 zu niedrig, nicht zuletzt, da hier die Kosten eines Prospekts in keiner Relation zum Emissionsvolumen stehen.
- Die Plattformen werden in ihrer Vermittlungstätigkeit einheitlich unter § 34c GewO erfasst, solange sie – wie üblich – keine Beratungstätigkeit auf Anlegerseite erbringen. Eine Erfassung unter § 34f GewO ist hier nicht erforderlich. Ebenso unproblematisch sollte die Platzierung von Wertpapieren auf Rechnung des Unternehmens oder Dritter sein, so lange später kein Handel in diesen betrieben wird.
Zusammen mit dem vom German Crowdfunding Network derzeit erarbeiteten Code of Conduct wird eine Umsetzung der vorgenannten Aspekte die Forderungen des Aktionsplans, den das Bundesjustizministerium und das Bundesfinanzministerium am 22. Mai 2014 vorgelegt haben[1], abdecken und dem Schutz des mündigen Anlegers vollständig gerecht.
Dr. Kay-Michael Schanz, Schanz & Coll. Rechtsanwälte
Eine Antwort
Eine sehr interessante Antwort auf den Gastbeitrag von Dr. Lars Hornuf. Wir haben Ihren Blogbeitrag in unseren Kommentaren verlinkt und freuen uns über rege Diskussionen.
Außerdem an dieser Stelle ein großes Lob an den Lightfin-Blog und seinen Autor. Ich lese ihn regelmäßig und finde, er gehört zu den contentstärksten und fundiertesten Blogs zum Thema Crowdinvesting. Weiter so!